"Urmaterie" Re: Hendrik van Hees, 19.12.99 und Antwort 20.12.99 > Was ist die Urmaterie? > Das frage ich Dich! Was soll das sein, die Materie, die vor der heutigen da war? Was sollte das sein? Es gibt keine Hinweise dafuer, dass es andere Elementarteilchen gibt als die heute bekannten (Quarks, Leptonen, Hadronen, Photonen, Gluonen, W- und Z-Bosonen und evtl. das Higgs, dessen Existenz ich persoenlich allerdings aufgrund theoretischer Probleme (Hierarchieproblem) bezweifele). Wenn es etwas darueber hinaus gibt, und ich bin aufgrund der Probleme des derzeitigen Standardmodells ziemlich sicher, dass es das geben muss, kennen wir es nicht, weder als theoretisches Postulat (wenn man mal von SUSY-Partnern absieht, was aber noch reine Spekulation ist) und schon gar nicht als experimentelle Ergebnisse. Dafuer brauchen wir neue Beschleuniger, und die gibt's fruehestens 2005 (LHC). > WAS HÄLT DIE WELT IM INNERSTEN ZUSAMMEN? > Das ist die Grundfrage, die die Elementarteilchenphysik und die Kosmologie (eigentlich gehoeren heutzutage beide zusammen und man sollte sie beide in einem zusammenfassen, vielleicht als "Fundamentalphysik"). > Eines der bewegenden Probleme in der über 2000 jährigen > Wissenschaftsgeschichte und noch immer so aktuell, wie zu Zeiten > Demokrits, ist die Frage, was die Welt im innersten zusammen hält und > was demnach das Kleinste bzw. der Ursprung aller Dinge ist. Ist die > Urmaterie, wie momentan mehrheitlich angenommen, wirklich infinitesimal > immer weiter teilbar? > Das ist korrekt. Allerdings wissen wir aufgrund rein dimensionaler Ueberlegungen, dass die Plancklaenge eine natuerliche Skala darstellt, bei der die physikalischen Gesetze, wie wir sie heute kennen, nicht haltbar sind, und wir duerfen gespannt sein, was da die Theorie uns noch alles beschert. Neue Entwicklungen in der Stringtheorie lassen da ja auf einiges Interessante (nicht zuletzt auch mathematisch-geometrisch!) hoffen. > Da diese Frage nicht beantwortet ist, stellen sich weitere Fragen: > 1. Woher erhält die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ihren festen Wert c? In einem natuerlichen Einheitensystem ist der Wert der Lichtgeschwindigkeit 1. Die Notwendigkeit eines einheitenbehafteten Faktors ergibt sich allein aus der Tatsache, dass wir Laengen und Zeiten noch wie bei Newton messen. In der Realitaet ist allerdings das Meter heutzutage (seit 1983) ueber das Zeitnormal der Sekunde (aus atomaren Hyperfeinstrukturuebergaengen) definiert und die Lichtgeschwindigkeit gesetzlich auf einen bestimmten Wert festgelegt, der so gewaehlt ist, dass die alten Meterdefinitionen moeglichst genau realisiert sind. > 2. Aus was schöpft das Plancksche Wirkungsquantum h seine "Kraft", mit > der es alles Mikrogeschehen beeinflußt? Das Plancksche Wirkungsquantum schoepft auch nirgends seine Kraft her, sonder ist auch eine Konstante, die man am bequemsten zu 1 waehlt um sich unnoetige Schreiberei zu erleichtern. > 3. Wie erfolgt ein negativer Impulsübertrag, wenn es doch keine festen > Verbindungen zwischen den Urmaterieportionen gibt? Was ist ein "negativer Impulsuebertrag"? > 4. Wie funktionieren die elementarsten Wechselwirkungen auf den > untersten Ebenen von QED, GSW, QCD, allgemeiner Relativitätstheorie > (Gravitation) und Superstrings in positiver und negativer Richtung? Ist > alles nur Superposition (Mischung) unendlich feiner Materie? Diese Theorien versteht man heute sehr gut (zumindest im perturbativen Teil), und man weiss dass es alles effektive Theorien sind, die fuer relativ niedrige Energien (allerdings offenbar fuer alle bis dato in Beschleunigern verfuegbaren Energien!) korrekte Ergebnisse liefern. Ueber die dahinterliegende allgemeingueltige Theorie kann man nichts sagen, man weiss noch nicht einmal, ob ueberhaupt eine existiert! > 5. Was ist die mit den Begriffen Masse bzw. Energie verbundene > ursprüngliche (nicht mathematische!) Substanz? Masse bzw. Energie sind physikalische Grundbegriffe, die nicht weiter reduzierbar sind. Sie ergeben sich aus der zeitlichen Translationsinvarianz der Naturgesetze. > 6. Sind Uratome (z.B. als feste Kugeln) mit nichtinfinitesimalen, also > spontanem endlichen Geschwindigkeitsübertrag denkbar? Ich glaube nicht, dass man zu einer Vorstellung von Atomen (was "Uratome" sein sollen, weiss ich immer noch nicht) oder sonstigen Elementarteilchen als kleine Kuegelchen zurueckkehren kann. Die bald 100jaehrige Quantentheorie (das ist das wahre Jubilaeum im Jahr 2000, naemlich 100 Jahre Quantentheorie, mit dem Beginn des naechsten Jahrtausends muessen wir noch ein Jahr warten ;-)) hat uns da viel bessere und erfolgreichere Beschreibungsmoeglichkeiten geliefert. > 7. Sind in einfachen Mengen sich bewegender Kugeln dichteabhängige > Veränderungen von Stoßvektor- bzw. Stoßachsenwinkeln möglich und gibt es > deshalb Strukturen, welche sich nicht durch Dichtefluktuation auflösen? Bedarf naeherer Erlaeuterungen, bevor ich das beantworten kann. > 8. Ist eine Selbstorganisation von Uratomen in höhere Systeme wie > Elementarteilchen (Solitonen?) denkbar? Dass nichtperturbative und topologische Objekte wie z.B. Instantonen, magnetische Monopole (Polyakoff- 't Hooft) wichtige Ansaetze zum vollen Verstaendnis der Elementarteilchenphysik bzw. der Eichtheorien bieten, insbesondere zum Quark-Confinement, ist voellig klar. Daran wird gearbeitet, und ich glaube auch, dass bei der weiteren Steigerung der Rechenleistung von Computern, was wohl auch in den naechsten Jahrzehnten zu erwarten sein duerfte, interessante Rechnungen im Rahmen von Gittereichtheorien dazu moeglich sein werden. Auch analytische Ansaetze werden dazu ausgearbeitet. Schau mal unter der hep-th-Kategorie unter Reinhart, da finden sich schoene Arbeiten. > 9. Wer arbeitet an dieser Problematik? Viele theoretische Forschungsgruppen in aller Welt. > 10. Gibt es Spezialisten, welche zur Diskussion dieses Ansatzes bereit > sind? > Welchen Ansatzes genau? In der Physik wird gerne, heiss und lautstark manchmal, diskutiert, klar. > Viel Spaß beim Überlegen und im voraus Dank für Ideen > Lothar Yep, Physics is big fun! -- Hendrik van Hees Phone: ++49 6159 71-2755 c/o GSI-Darmstadt SB3 3.162 Fax: ++49 6159 71-2990 Planckstr. 1 mailto:h.vanhees@gsi.de D-64291 Darmstadt http://www.gsi.de/~vanhees/index.html Hendrik van Hees antwortete auf die Frage "Was ist die Urmaterie?" u.a.: > Das frage ich Dich! Was soll das sein, die Materie, die vor der > heutigen da war? Was sollte das sein? > ...usw. siehe oben ... Auf die Frage nach Grundgrößen,... > In einem natuerlichen Einheitensystem ist der Wert der > Lichtgeschwindigkeit 1. Die Notwendigkeit eines einheitenbehafteten > Faktors ergibt sich allein aus der Tatsache, dass wir Laengen und > Zeiten noch wie bei Newton messen. In der Realitaet ist allerdings > das Meter heutzutage (seit 1983) ueber das Zeitnormal der Sekunde > (aus atomaren Hyperfeinstrukturuebergaengen) definiert und die > Lichtgeschwindigkeit gesetzlich auf einen bestimmten Wert festgelegt, > der so gewaehlt ist, dass die alten Meterdefinitionen moeglichst genau realisiert sind. sowie: > Das Plancksche Wirkungsquantum schoepft auch nirgends seine Kraft her, > sondern ist auch eine Konstante, die man am bequemsten zu 1 waehlt, > um sich unnoetige Schreiberei zu erleichtern. Dazu denke ich: Urmaterie ist die Materie mit den einfachsten möglichen Eigenschaften, welche durch ihre wiederum möglichst einfachen Wechselwirkungen dafür verantwortlich ist, daß - c einen konstanten Wert hat - h mit seinem konstanten Wert alle kleinen Materieportionen, also Quanten mit den Namen der verschiedenen Elementarteilchen, so beeinflußt, daß Versuchsergebnisse nur mit der beobachteten Unschärfe möglich sind - die Elementarteilchen umwandelbar sind, aber immer in vorgeschriebenen Größen bzw. mit den tatsächlich beobachteten Eigenschaften usw. Einige Überlegungen dazu stehen in meiner Replik vom 19.12.1999 als "Heutiger Erkenntnisstand". Für das physikalische Alltagsleben und den Broterwerb als Physiker ist es natürlich ausreichend und notwendig, die Konstanten, wie auch die Axiome der Mathematik zu verwenden, ohne nach deren Ursache fragen zu müssen. Wissensdrang führt aber, wie schon immer, auch zu solchen Fragen, wie diese "Grundelemente des physikalischen Denkens", wie ich sie hier einmal nennen will, zustande kommen und wirken. Es ist zumindest für mich nicht zufriedenstellend, eine mathematische Funktion zu besitzen, welche z.B. in Form eines Computerprogrammes, in einer "black box" versteckt ist. Alle Teilfunktionen (im Sinne von Objekten der objektorientierten Programmierung) in dieser Funktion verarbeiten Anfangswerte in Endwerte. Auch wenn diese hundertprozentig mit den Versuchsergebnissen übereinstimmen, bleibt die Frage: Was ist das jeder Teilfunktion zuordenbare Naturereignis? Meine ersten Fragen zu dieser Problematik sind vielleicht noch nicht "exakt" genug formuliert. Wenn ich das könnte, hätte ich wahrscheinlich auch schon eine "exakte" Lösung. Als einfachste Möglichkeit sehe ich bisher nur eine Beschleunigung durch den endlichen Geschwindigkeitsübertrag auf einen Stoßpartner. Unabhängig von dessen Form! Dort wo der Stoßpartner berührt wird, kann die Geschwindigkeit nicht auf dem ursprünglichen Träger der (relativen) Geschwindigkeit fortgesetzt werden, sondern nur auf dem Stoßpartner, in Stoßnormalen-Richtung und deshalb ohne Änderung der Bewegungsgröße. Orthogonale Komponenten bleiben vollkommen auf den alten Objekten vorhanden. Masse bzw. Impuls spielen dabei keine Rolle. Deren Eigenschaften ergeben sich erst auf einer höheren Stufe der Systembildung. Alle Naturgesetze müssen deshalb aus diesen einfachen Annahmen herleitbar sein. Meine Fragen nach Dichtefluktuationen, Stoßachsen- und Stoßvektor-Winkeln in Abhängigkeit von der Anzahldichte,... stammen aus den weiteren Überlegungen und es wäre wohl ein Zufall, wenn noch jemand genau darüber schon detailliert nachgedacht hätte. Auch die Symmetrien, wie sie in den elementaren Wechselwirkungen stecken, folgen aus diesem "Stoßverhalten", das eigentlich gar nicht mit den uns geläufigen Stößen der Mechanik vergleichbar ist, weil es einen spontanen nichtinfinitesimalen Geschwindigkeitsübertrag gibt. Diese Stellungnahme von mir blieb in dsp unwidersprochen. MfG Lothar Wiese