News-Beitrag in de.sci.physik 20.12.1999 von Hendrik van Hees: Allgemeinverständliche Darstellung des STANDARDMODELLs der Elementarteilchen ===================================== Drei der vier Grundkraefte verstehen wir ziemlich gut, eine eher weniger, bzw. die macht Probleme, und das ist ausgerechnet diejenige, die wir am besten zu kennen glauben, naemlich die Gravitation. Ich will mich mal erst auf die drei anderen Grundkraefte beschraenken. Diese Kraefte werden heutzutage allesamt durch die relativistische Quantenfeldtheorie im Rahmen des sog. Standardmodells der Elementarteilchen beschrieben. Dabei stellt man sich vor, dass die Wechselwirkungen zwischen den die Materie konstituierenden Teilchen, die man durch Fermionen (Leptonen und Quarks) beschreibt, durch eine weitere Sorte von Teilchen vermittelt wird, die sog. Vektorbosonen. Man darf das allerdings nicht allzu woertlich nehmen, sondern muss sich vor Augen halten, dass das Bilder sind, die nur durch den Formalismus der Quantentheorie selber genau zu fassen sind. Es ist sehr schwer, das verbal, also ohne die recht verwickelte Mathematik der QFT darzustellen. Die historisch erste erfolgreiche Quantenfeldtheorie ist die Quantenelektrodynamik. Deren klassisches Pendant ist die Maxwellsche Elektrodynamik (so ca. ab 1860 entstanden). Sie beschreibt die elektromagnetische Wechselwirkung als ein Feld, also eine physikalische Entitaet, die stetig in Raum und Zeit verteilt ist und sich in ihren Wirkungen an der Materie manifestiert und eben dadurch, dass sie Energie und Impuls transportiert (dazu gehoeren u.a. das sichtbare Licht, die Radiowellen, Roentgen- und Gammastrahlen). Planck hat dann erkannt, dass die elm. Strahlung nicht nur Wellen- sondern auch Teilcheneigenschaften aufweist, und das hat dann zur Entwicklung der Quantentheorie und zum Standardmodell der Elementarteilchen gefuehrt (dieses Jahr gab's uebrigens den Physiknobelpreis fuer die Entwicklung der geeigneten mathematischen Methoden, die erst zum Verstaendnis des Standardmodells gefuehrt haben, das wir heute besitzen). Fassen wir also kurz die phaenomenologischen Tatsachen dieses Standarmodells zusammen. Zunaechst einmal gibt es da, wie gesagt die Materieteilchen, die man danach einteilt, welche Wechselwirkungen auf sie wirken. Sie lassen sich weiter in drei sog. "Flavour"-Familien einteilen. (1) Die Leptonen: (a) Elektron (em,s), Antielektronneutrino (s) und ihre Antiteilchen (b) Muon (em,s), Muon-Antineutrino (s) und ihre Antiteilen (c) Tau-Lepton (em,s), Tau-Antineutrino (s, noch nicht experimentell beobachtet) und ihre Antiteilchen (2) Die Quarks: (a) up- und down-Quarks und ihre Antiteilchen (alle Kraefte) (b) strange- und charm-Quarks und ihre Antiteilchen (alle Kraefte) (c) top- und bottom (oder truth und beauty)-Quarks und ihre Antiteilchen (alle Kraefte) Jede Quarksorte kommt in drei Farben (colours) vor. Die Farbe ist eine Ladung aehnlich wie die elektrische Ladung. Jetzt kommen wir zu den Kraeften, die durch die Vektorbosonen vermittelt werden. Man kanns sie entsprechend nach den Kraeften sortieren, die durch sie beschrieben werden: (A) Elektromagnetische WW: Photonen, masselos (d.h. die invariante Masse ist 0, die Kerlchen sausen immer mit Lichtgeschwindigkeit herum) und ungeladen. Die em. Wechselwirkung sorgt nicht nur dafuer, dass wir elektrischen Strom haben und Radio hoeren und Fernsehen gucken koennen, sondern viel wichtiger noch dafuer, dass sich die Elektronen und Atomkerne zu Atomen zusammenbinden und die wiederum zu Molekuelen usw. Die ganze Chemie spielt sich im wesentlichen aufgrund der elektromagnetischen Wechselwirkung ab. (B) Starke WW: Gluonen ("Klebeteilchen"), masselos, kommen in 8 Farbkombinationen vor und tragen Farbladung, was die grundsaetzlich verschiedene Natur der starken Kraft ausmacht. Die starke Kraft besitzt naemlich die Eigenschaft der asymptotischen Freiheit, d.h. je weiter man versucht, zwei farbige Objekte (z.B. Quarks) auseinanderzuziehen, desto staerker wirken die Gluonen. Statt dass man die beiden Farbladungen trennen koennte, poppen lieber jede Menge neue Quark- Antiquarkpaare und neue Gluonen auf. Man beobachtet deshalb bis heute (noch) keine freien Quarks, sondern nur stets "farblose" Objekte. Farblos kann ein Objekt entweder sein, wenn ein Quark- Antiquarkpaar sich verbinden (das sind die sog. Mesonen, von denen die Pionen wohl die bekanntesten sind und von denen es jede Menge gibt, frag' nicht wie viele, guck aber vor Spass mal bei der Particle Data group vorbei, die den ganzen Zoo klassifizieren und im Particle Data Booklet, dass es kostenlos beim CERN zu bestellen gibt, zusammenstellen). Es koennen sich aber auch drei verschiedenfarbige Quarks (oder Antiquarks) zusammenbinden, und das sind die sog. Baryonen. Die bekanntesten sind Neutronen und Protonen. Zwischen die Protonen und Neutronen wirkt noch ein Rest der starken Kraft, aehnlich wie elektrisch neutrale zusammengesetzte Objekte trotz ihrer neutralen Ladung noch wechselwirken koennen (z.B. weil sie ein Dipolmoment besitzen). Auf diese Art verbinden sich die Neutronen und Protonen zu den Atomkernen, aus denen fast die gesamte Materie besteht. Diese Restwechselwirkung laesst sich sehr gut durch den Austausch von Mesonen beschreiben, denn eine direkte Beschreibung mit Hilfe der Quarks ist derart kompliziert, dass man bis heute keine Moeglichkeit hat, das mit der QCD (der Quantenchromodynamik, die die starke Wechselwirkung so beschreibt, wie ich versuche es zu erklaeren) direkt zu tun. (C) Schwache Kernkraft: Die sog. "intermediaeren Vektorbosonen". Davon gibt's drei: ein elektrisch neutrales (das Z-Teilchen) und die elektrisch geladenen W-Bosonen (ein positiv geladenes und ein negativ geladenes). Diese Teilchen haben Masse. Das zeichnet sie vor den anderen Vektorbosonen (oder vornehmer nennt man sie auch Eichbosonen, weil die Theorie von Weyl den unpassenden Namen Eichtheorie bekommen hat, als er versucht hatte die Gravitation mit dem Elektromagnetismus zu vereinigen. Diese Weyltheorie ist zwar nicht korrekt, aber der mathematische Formalismus ist den modernen Eichtheorien sehr aehnlich, deshalb heissen die Eichtheorien heute noch Eichtheorien, obwohl sie mit Eichung eigentlich gar nichts mehr zu tun haben) aus. Damit die Mathematik noch funktioniert (fuer die Experten: damit die Theorie noch renormierbar ist), kann man aber nicht einfach Massen zuordnen, sondern muss die in einem netten Formalismus erst erzeugen, deshalb braucht man noch das Higgsboson, ein skalares Boson, das im Mechanismus der spontanen Brechung der elektroschwachen Eichsymmetrie dafuer sorgt, dass die Eichbosonen und mit ihnen die Leptonen eine Masse bekommen. Es ist sehr schwer, das ohne Quantenfeldtheorie zu erklaeren. In unserer phaenomenologischen Darstellung muss man aber eigentlich nur wissen, dass die Mathematik der Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung zwingend ein solches Higgsboson erfordert, und deshalb sucht man in aller Welt fieberhaft danach (LEP am CERN laeuft bis an die Grenzen seiner Moeglichkeiten, Fermilab wird sogar noch ein bisschen aufgemotzt und 2005 (oder wohl vielleicht doch ein bisschen spaeter) kommt am CERN der LHC (Large Hadron Collider) zu laufen, der zur Zeit gebaut wird u.a. eben um das Higgsboson zu finden). Die Neutrinos besitzen eine so kleine Masse, dass man sie bis vor einigen Jahren einfach 0 gesetzt hat ohne dass man erkennbar etwas falsch gemacht haette. Wegen der sehr schoenen mathematischen Struktur der Masseerzeugung durch das Higgs, deren physikalischer Hintergrund aber leider nicht recht verstanden wird, ist es sehr interessant zu wissen, ob die Neutrinos eine Masse haben. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass man am Superkamiokande, der die von der Sonne stammenden Neutrinos genau vermisst, sog. Neutrinooszillationen beobachtet hat. Diese Oszillationen manifestieren sich darin, dass die Neutrinos ihre "Flavour" wechseln, man weiss allerdings noch nicht wie sie das tun, man weiss noch nicht einmal ob sie nicht in sog. sterile Neutrinos umgewandelt werden, die gar nicht beobachtbar sind. Die schwache Kernkraft beobachtet man aber vor allem durch Zerfaelle, die sie bewirken. Der bekannteste solche Zerfall ist der Beta-Zerfall der Atomkerne. So wandelt sich z.B. ein Neutron in ein Proton um, wobei ein Elektron und ein Antielektronneutrino herauskommen. Pauli hatte in den fruehen 30er Jahren das Neutrino einzig und allein deshalb in die Physik eingefuehrt um den Energie- und Impulssatz beim Betazerfall zu erklaeren. Die schwache Kernkraft weist noch viele interessante weitere Eigenschaften aus. Sie ist es z.B. warum auf der Skala der elementaren Teilchen rechts und links unterschieden werden koennen, d.h. man kann anhand von Beta-Zerfaellen entscheiden ob man einen realen Prozess vor Augen hat oder einen solchen im Spiegel beobachtet (vornehm heisst diese Verletzung der Spiegelsymmetrie Paritaetsverletzung und wurde von Lee und Yang vorhergesagt und von Wu am Betazerfall von Cobalt experimentell nachgewiesen). Ich hoffe ich habe Dich mit diesen umstaendlichen Erklaerungen nicht verschreckt, und Du guckst noch auf die Webseiten, die in der FAQ-Linkliste aufgefuehrt sind. Dann ist unter http://www.britannica.com die Encyclopedia Britannica endlich online. Ich hab's zwar noch nicht gelesen, aber da muesste das alles super erklaert sein. Last but not least hier mein Lieblingsbuch zum Thema (also von den populaerwissenschaftlichen Buechern ;-)): L. Ledermann, D. Teresi, The God Particle Der Titel ist bloedsinnig gewaehlt, aber es ist eine superwitzig zu lesende Einfuehrung in die Elementarteilchenphysik, wo die Faszination und Begeisterung so richtig rueber kommt. Ledermann hat uebrigens den Nobelpreis fuer die Entdeckung des Muon-Neutrinos bekommen. -- Hendrik van Hees Phone: ++49 6159 71-2755 c/o GSI-Darmstadt SB3 3.162 Fax: ++49 6159 71-2990 Planckstr. 1 mailto:h.vanhees@gsi.de D-64291 Darmstadt http://www.gsi.de/~vanhees/index.html