Auf den farbenprächtigen Plakaten, die in den Labors für Hochenergiephysik aushängen, sind die elementaren Bausteine der Materie immer als verschieden große bunte Kugeln dargestellt, die sich zu kleinen Klümpchen zusammensetzen oder sich auf Planetenbahnen umkreisen. Damit soll dem Laien ein anschauliches Bild von Objekten vermittelt werden, die den Gesetzen der Quantentheorie unterliegen und sich deshalb nur schwer mit den uns geläufigen Vorstellungen von Gestalt und Individualität erfassen lassen.
Um uns ein etwas weniger symbolisches Bild dieser Objekte zu verschaffen, wenden wir uns einem der wissenschaftlichen Lehrbücher der Teilchenphysik zu. Bei der Lektüre gewinnen wir bald den Eindruck, daß Elementarteilchen in erster Linie durch irreduzible Darstellungen Liescher Gruppen charakterisiert sind. Hiermit werden nicht nur die kinematischen Eigenschaften wie Masse und Drehimpuls beschrieben, sondern auch diverse Ladungen, wie etwa die elektrische Ladung, die sog. Farbladung und zusätzliche Merkmale wie Baryonen- und Leptonzahl. Bei diesen ``inneren'' Quantenzahlen kann man zwischen echten (lokal erhaltenen) Ladungen, wie der elektrischen Ladung, und den ``globalen'' Ladungen wie der Baryonenzahl unterscheiden. Letztere beruhen letztlich auf Auswahlregeln, wie man sie bei Streuprozessen oder Zerfällen instabiler Teilchen beobachtet, wogegen die ersteren die universelle Kopplung an Eichfelder wie das elekromagnetische Feld ausdrücken. Für beide Arten von Quantenzahlen ergibt sich die Zuordnung zu Darstellungen Liescher Gruppen über die angenommene Invarianz der Wechselwirkung unter einer entsprechenden Transformationsgruppe. Während diese Invarianz bei einer lokalen Eichgruppe die Natur von (unbeobachtbaren) Koordinatentransformationen besitzt, die deshalb auch nicht verletzt werden kann, können globale Symmetrien auch näherungsweise gelten, d.h. nur für einen Teil der unterschiedlichen Wechselwirkungen.
Die elementare Natur der Teilchen wird in dieser gruppentheoretischen Betrachtungsweise durch die Irreduzibilität (Unzerlegbarkeit) der jeweiligen Darstellung ausgedrückt. Was allerdings fehlt ist ein wesentlicher Bestandteil unseres intuitiven Bildes von einem Teilchen -- die räumliche Lokalisierung. Dieser Aspekt, der in den Lehrbüchern über Teilchenphysik meistens etwas stiefmütterlich behandelt wird, soll im folgenden etwas eingehender dargestellt werden.
Im Studium der Physik begegnen wir dem Begriff eines Teilchens zuerst in der Form eines Punktteilchens im Rahmen der Newtonschen Mechanik. Dabei handelt es sich um eine Abstraktion, die eine einfache Beschreibung der Bewegung kompakter Körper ermöglicht, unter Berücksichtigung weniger wesentlicher Parameter wie Masse, Drehimpuls oder elektrische Ladung. Ein wichtiges Beispiel dazu ist die Planetenbewegung, bei der höhere Multipole der Massendichte oder gravitative Selbstwechselwirkung der Planeten weitgehend ohne Einfluß auf die Bewegung des Schwerpunkts sind. Auf diese Weise gelingt es ein sehr komplexes Problem mit unendlich vielen Freiheitsgraden durch ein solches mit endlich vielen zu ersetzen.
Im Rahmen relativistischer Feldtheorien handelt man sich jedoch bei der Ersetzung ausgedehnter Körper durch Punktteilchen singuläre Selbstwechselwirkungen ein, die nicht so einfach zu beseitigen sind wie etwa im Rahmen der Newtonschen Potentialtheorie. Ein typisches Beispiel liefern die Versuche eine klassische Theorie des Elektrons zu konstruieren, wie sie vor der Entdeckung der Quantentheorie gemacht wurden. Nun gibt es zwar im Rahmen einer kausalen relativistischen Theorie keine starren Körper, aber es gibt in einer Reihe wichtiger nichtlinearer Feldtheorien teilchenartige Lösungen, die sog. Solitonen. Der Name bezieht sich auf das erste gefundene Objekt dieser Art, eine solitäre eindimensionale Wasserwelle. Der teilchenartige Charakter dieser Solitonen besteht darin, daß sie eine zwar ausgedehnte, aber gut lokalisierte, mehr oder weniger unzerstörbare Konfiguration endlicher Energie darstellen. Typischerweise wird die Stabilität durch eine nichttriviale topologische Struktur der Konfiguration gewährleistet, die sie durch eine i.A. unendlich hohe Energiebarriere von Konfigurationen mit trivialer Topologie trennt. Klassische Beispiele derartiger topologischer Solitonen sind die 1-dimensionalen stufenförmigen ``Kinks'', 2-dimensionalen wirbelförmigen ``Vortizes'' und 3-dimensionalen nicht-abelschen magnetischen Monopole. Während Kinks und Vortizes in der nicht-relativistischen Festkörperphysik eine wichtige Rolle spielen wurden magnetische Monopole bisher nicht beobachtet, obwohl sie im frühen Universum in großer Zahl entstanden sein könnten.
Eine ausgezeichnete Rolle im Rahmen der mathematischen Theorie der Solitonen spielen vollständig integrable Modelle. Dabei handelt es sich um nichtlineare Feldtheorien, bei denen mit Hilfe einer unendlich-dimensionalen Gruppe (``Loop-gruppe'') von Bæcklund-Transformationen auf algebraischem Weg Multi-Soliton-Lösungen aus einer Vakuum-Lösung erzeugt werden können. Erfreulicherweise gehören eine Reihe physikalisch interessanter Feldtheorien zu dieser ausgezeichneten Klasse. Bekanntestes Beispiel ist die Sinus-Gordon Gleichung, deren Solitonen eine wichtige Rolle im Josephson-Effekt spielen. Aber auch die 3-dimensionalen nicht-abelschen Monopole von Prasad-Sommerfield und die Instantonen der 4-dimensionalen euklidischen Yang-Mills-Theorie gehören zu dieser Klasse. Während in den 1+1-dimensionalen Modellen (1+1 steht für eine Raum- und eine Zeitdimension) die Multi-Soliton Lösungen von der Zeit abhängen und die Streuung einzelner Solitonen aneinander beschreiben, stellen sie in den höher dimensionalen Modellen statische Gleichgewichtszustände einzelner Solitonen dar. Beide Arten von Lösungen führen auf wichtige mathematische Strukturen. Die Streuung der 1+1-dimensionalen Solitonen wird durch ``faktorisierende'' S-Matrizen beschrieben, die in enger Beziehung zu den ``Quantengruppen'' stehen. Quantengruppen sind neuartige mathematische Objekte, die in der mathematischen Forschung gegenwärtig eine ähnlich wichtige Rolle einnehmen, wie die gewöhnlichen Gruppen in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts.
Die statischen Multi-Soliton Lösungen hängen eng mit der eigentlich aus der Quantentheorie bekannten Supersymmetrie zusammen, die Teilchen mit ganzzahligem und halbzahligem Spin in Verbindung bringt. Diese Supersymmetrie verhindert das Auftreten von Quanten-Korrekturen zur Masse des Solitons bei der noch zu diskutierenden Quantisierung der Theorie und spielt eine wichtige Rolle in der aktuellen Dualitätstheorie von Seiberg-Witten. Die entsprechenden Quantenzustände werden auch als BPS (Bogomolny, Prasad,Sommerfield) Zustände bezeichnet und bilden ein zu dem ursprünglichen Multiplett mit Eich- und Higgsfeld duales Multiplett. Je nachdem ob man die Theorie bei schwacher oder starker Kopplung betrachtet erscheinen einmal die ursprünglichen Felder oder aber die Solitonen als elementar (Dualität).
Neue wichtige Aspekte für das Teilchenkonzept ergeben sich, wenn man die Wirkung der Gravitation im Rahmen der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie (AR) mit in Betracht zieht. Bekanntlich führt die Konzentration einer Masse M innerhalb ihres Schwarschild-Radius GM/c^2 (G bezeichnet die Newtonsche Gravitationskonstante) zum Gravitations-Kollaps und zumindest nach der ``Cosmic Censorship'' Hypothese zur Bildung eines Schwarzen Loches. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, daß im Rahmen der AR kein Platz für Punktteilchen ist, deren Stelle vielmehr von Schwarzen Löchern eingenommen wird. Berechnet man das gravitative Selbstfeld eines Punktteilchens, so findet man, daß sich das Teilchen mit einer Schwarzschild-Geometrie ``angezogen'' hat, d.h. als ein Schwarzes Loch erscheint. Im Gegensatz zu singulären Lösungen von Feldtheorien im flachen Raum besitzen Schwarze Löcher aber eine endliche Gesamtenergie, was anschaulich so zu verstehen ist, daß die unendliche positive materielle Energiedichte durch eine unendliche negative gravitative Bindungsenergie kompensiert wird. Um diese Analogie von Teilchen im flachen Raum und Schwarzen Löchern noch etwas weiter zu spinnen, ist es naheliegend, letztere als ausgedehnte teilchenartige Objekte zu betrachten, deren äußere Begrenzung durch den Ereignishorizont ( bzw. genauer durch deren ``scheinbaren Horizont'') gegeben ist und die gewissermaßen in den umgebenden asymptotisch flachen Raum eingebettet sind.
Statische Lösungen der Einsteinschen Gleichungen mit nur einem Schwarzen Loch unterliegen starken Einschränkungen. Im Falle der reinen Gravitation sind sie zwangsläufig kugelsymmetrisch (Schwarzschild-Lösung), ebeso wie im Falle der Einstein-Maxwell-Theorie (Reissner-Nordstrøm-Lösung). Fügt man noch Skalarfelder hinzu, so erhält man dennoch keine neuen Parameter neben der Masse und der elektrischen Ladung. Die Feststellung, daß Schwarze Löcher offenbar neben der Masse vollständig durch ihre ``Eichladungen'' bestimmt sind bezeichnet man als ``No Hair Theorem''. Dieses Theorem verliert seine Gültigkeit sofern man nicht-abelsche Eichfelder mit in Betracht zieht. So findet man z.B. Schwarze Löcher vom Typ nicht-abelscher magnetischer Monopole die mit entsprechenden abelschen (also rein elektromagnetischen) Monopolen entartet sind. Allerdings handelt es sich in den bekannten Fällen immer nur um eine einfache Entartung, sodaß die wesentliche Aussage des ``No Hair Theorems'' gültig bleibt. Unterscheidet man die beiden Sorten durch die Zuordnung einer globalen Quantenzahl und bedenkt man, daß die magnetische Ladung nicht-abelscher Monopole einer Quantisierungsbedingung unterliegt, so weist die vorliegende Situation eine gewisse Aehnlichkeit mit der Klassifikation von Elementarteilchen auf. Wegen ihrer endlichen Ausdehnung und der Tatsache, daß es sich um teilchenartige Lösungen der vollen nicht-linearen Feldgleichungen handelt, liegt es nahe Schwarze Löcher als Solitonen zu betrachten.
Nach dieser Skizzierung von Teilchenkonzepten in klassischen Feldtheorien wollen wir uns nun der derselben Fragestellung in der relativistischen Quantenfeldtheorie zuwenden. Wie schon der Name sagt sind dabei die primären dynamischen Variablen quantisierte Felder und es ist auf den ersten Blick nicht offensichtlich, wie die Teilcheninterpretation zustandekommt. Den Schlüssel zu dieser Frage, zumindest im Rahmen der Quantenfeldtheorie im Minkowski-Raum (also unter Vernachlässigung der Gravitation), liefert eine kinematische Charakterisierung von Teilchen als irreduzible Darstellungen der Poincaré -Gruppe. Als Folge von relativistischer Invarianz und Kausalität (raumartige Vertauschbarkeit der Felder) kann man zeigen, daß ein Quantenfeld asymptotischen Streuzustände besitzt, die als Superposition unabhängiger 1-Teilchenzustände interpretierbar sind. Bei dieser rein kinematischen Beschreibung bleibt die Natur dieser ``Teilchen'' als lokalisierte Objekte zunächst im Unklaren. Um etwas über die räumliche Struktur der Teilchen aussagen zu können, betrachtet man die sog. Formfaktoren, die man durch die Kopplung der Teilchen an äußere klassische ``Testfelder'' erhält. Auf diese Weise kann man etwa die raum-zeitliche Verteilung der elektrischen Ladung, d.h. die statische Ladungsverteilung und auch eine eventuell vorhandene stationäre Stromverteilung innerhalb des Teilchens bestimmen. Versuchen wir so die Massenverteilung eines Elektrons im Rahmen des Standard-Modells mit Hilfe der renormierten Störungstheorie zu ermitteln, so stellen wir fest, daß wir es einem singulären, im wesentlichen punktförmigen Teilchen zu tun haben. Wenn dem wirklich so sein sollte, kommen wir nach dem oben Gesagten zu dem Schluss, dass das Elektron unter Berücksichtigung seiner gravitativen Selbswechselwirkung als quantisiertes Schwarzes Loch zu verstehen sein sollte.
Die Kombination Quantentheorie und Schwarze Löcher führt schon beim Studium freier Quantenfelder auf dem klassischen Hintergrund eines Schwarzen Loches zu aufsehenerregenden Folgerungen. So hat Hawking gezeigt, daß der Vakuumzustand des freien Feldes durch einen thermodynamischen Zustand zu ersetzen ist, mit einer Temperatur umgekehrt proportional zum Radius des Schwarzen Lochs und einer Entropie proportional zur Oberfläche seines Horizonts und dementsprechend wird eine Hohlraumstrahlung mit Planckschem Spektrum emittiert. Geht man davon aus, daß sich mit der emittierten Strahlung die Masse des Schwarzen Loches verringert, so nimmt seine Temperatur stetig zu und seine Entropie ab, bis sich das Schwarze Loch in einer Art Explosion in nichts auflöst. Interpretiert man die Entropie als ein Maß für die in einem Schwarzen Loch verlorengegangene Information über das gekoppelte Quantensystem (im Sinne der Wahrscheinlichkeitsinterpretation quantenmechanischer Zustände) so ist es rätselhaft woher diese beim Zerstrahlen des Schwarzen Lochs erzeugte Information (gleichbedeutend mit verschwindender Entropie) kommen soll und man spricht in diesem Zusammenhang vom ``Informations-Paradoxon''. Allerdings ist es einleuchtend, daß man hinreichend kleine Schwarze Löcher nicht als klassische Objekte behandeln kann und es einer Quantentheorie Schwarzer Löcher bedarf. Wie sich freilich das Informations-Paradoxon im Rahmen einer derartigen Theorie auflösen soll ist umstritten.
Schwarze Löcher mit Eichladungen wie der elektrischen Ladung besitzen eine minimale Masse, bei der ihre Hawking-Temperatur verschwindet. Ein extremes Schwarzes Loch stellt somit einen gegen weitere Zerstrahlung stabilen Endzustand dar und spielt damit gleichsam die Rolle eines Elementarteilchens. Bezeichnenderweise stellt sich heraus, daß diese extremen Schwarzen Löcher wieder sog. BPS-Zustände, also Solitonen der besonderen Art sind. Jüngst hat sich gezeigt, daß derartige Objekte in Theorien mit Gravitation von besonderer Bedeutung in der Stringtheorie sind. In dieser seit mehr als einem Jahrzehnt sehr populären Theorie wird versucht eine einheitliche Beschreibung aller Elementarteilchen als Anregungen eines fadenartigen Objekts, des sog. Superstrings zu verstehen. In letzter Zeit wurden eine Reihe weiterer solcher BPS Lösungen gefunden, die teils reguläre Solitonen teils Schwarze Löcher darstellen. Alle die dazu gehörigen, von der Stringtheorie inspirierten, Feldtheorien (sog. Supergravitationstheorien) stellen sozusagen ``Niederenergie-Näherungen'' der Superstring-Theorie dar. Aus Konsistenzgründen kann letztere bisher nur in einer 10-dimensionalen Raum-Zeit formuliert werden. Je nachdem, welche der vielen möglichen klassischen `Vakuum''-Mannigfaltigkeiten man der Konstruktion der entsprechenden feldtheoretischen Näherung zugrundelegt, kann man verschieden dimensionale BPS-Zusta"nde (``p-branes'') finden. Die Idee, daß alle die zugehörigen Feldtheorien verschiedene, durch Dualitäts-Relationen miteinander in Beziehung stehendende ``Niederenergie-Näherungen'' einer einzigen universellen Superstring-Theorie (``M-Theorie'') sind, wird als die ``2. Revolution'' der String-Theorie bezeichnet (nach der 1. Revolution 1984-85). Nimmt man diese Idee ernst, so zerrinnt das Konzept elementarer Teilchen bzw. Felder etwas zwischen den Fingern, da es von dem jeweiligen ``Vakuum''-Zustand des Strings abhängt, welche Objekte man als elementar bzw. zusammengesetzt ansehen sollte. ``Die Elementarteilchen hängen damit sozusagen nur noch an einem seidenen (Super) Faden''.
Dieter Maison / 01.05.1997
Questions and comments concerning this page should be addressed
per e-mail to