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Vereinheitlichung der
Wechselwirkungen
Die theoretische Physik beschreibt
die Bausteine der Materie und die Kräfte, die zwischen ihnen
wirken. Diese Kräfte bezeichnet man auch als Wechselwirkungen.
Sie sorgen dafür, dass die Bausteine oder Teilchen sich
anziehen oder abstoßen. Ein Beispiel für eine solche
Wechselwirkung ist die elektromagnetische Kraft, die auf
elektrisch geladene Teilchen wirkt. Weitere Kräfte sind die so
genannte schwache und die starke Kernkraft, die für die
Bindung der Atomkerne und für weitere subatomare Strukturen,
wie z.B. die Quarks, eine wichtige Rolle spielen. Alle drei
genannten Kräfte spielen in der Elementarteilchenphysik eine
wichtige Rolle und lassen sich mit einer einheitlichen
physikalischen Theorie beschreiben, dem so genannten
Standardmodell der Elementarteilchen. Diese Theorie ist eine
Quantentheorie, d.h. für die so beschriebenen Teilchen gibt es
eine Wahrscheinlichkeitsinterpretation, die zu dem bekannten
Welle-Teilchen-Dualismus führt.
Die vierte und letzte
der bekannten Wechselwirkungen ist die Schwerkraft oder
Gravitation. Sie bewirkt die Anziehung zwischen Massen und
wird mit der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie
beschrieben, nach der die Anziehung von Massen durch die
Krümmung des Raums bewirkt wird. Die Relativitätstheorie ist
keine Quantentheorie, sondern eine klassische Theorie, in der
Ort und Geschwindigkeit der Teilchen für alle Zeiten
gleichzeitig angegeben werden können.
Schon Einstein
selbst benannte vor siebzig Jahren als fundamentale Aufgabe
der Physik die Beschreibung aller vier fundamentalen
Wechselwirkungen in einer einzigen vereinheitlichten Theorie.
Diese Aufgabe ist bis heute nicht vollständig gelöst. Ein
wesentliches Problem ist, dass sich die Relativitätstheorie -
im Unterschied zur Theorie der drei übrigen Wechselwirkungen -
nicht auf herkömmliche Weise als Quantentheorie schreiben
lässt. Daher ist es schwierig, die Gravitation in die Theorie
der drei übrigen Wechselwirkungen zu integrieren. Es hat in
dieser Richtung jedoch schon wesentliche Fortschritte gegeben:
Insbesondere ist die Stringtheorie ein möglicher Kandidat für
eine vereinheitlichte Theorie.
Stringtheorie und
Membranen
In der Stringtheorie wird das Problem der
Quantisierung der Gravitation dadurch gelöst, dass die
fundamentalen Teilchen nicht mehr wie in Quanten- und
Relativitätstheorie als punktförmig angesehen werden, sondern
eine Ausdehnung haben. Durch die endliche Ausdehnung der
Strings wird nämlich das Verhalten von quantenmechanischen
Streuprossen mit Spin 2-Gravitonen, die als Kraftteilchen in
der Quantengravitation auftreten, dahingehend beieinflusst,
dass alle Unendlichkeiten abwesend sind, die die
Quantisierbarkeit der Gravitationskraft mit Punktteilchen im
Rahmen der Störungstheorie bislang unmöglich gemacht
hat. Dies ist ein wichtiger Fortschritt im Hinblick auf die
Vereinheitlichung der Wechselwirkungen. Zunächst wurden im
Rahmen der Stringtheorie die Teilchen durch Anregungsmoden
eindimensionaler ausgedehnter Objekte beschrieben, also durch
Fäden oder Saiten („strings“), die in einer Raumrichtung
ausgedehnt sind. Seit 1995 hat sich die Stringtheorie
dahingehend weiterentwickelt, dass auch mehrdimensionale
ausgedehnte Objekte, Membranen oder auch genannt p-Branen,
betrachtet werden. 0-Branen sind gewönliche Teilchen, 1-Branen
sind eindimensionale Fäden, 2-Branen zweidimensionale
Flächchen, die auch Membranen genannt werden. Ebenso gibt es
auch 3-Branen, 4-Branen, usw. Die theoretischen Entwicklungen
der letzen zehn Jahre deuten stark darauf hin, dass es eine
bislang nicht bekannte vereinheitlichte Theorie in elf
Raum-Zeit Dimensionen gibt, die alle diese Objekte in
mathematisch konsistenter Weise beschreibt.
In der
Stringtheorie entsprechen die herkömmlichen Punkteilchen den
niedrigsten harmonischen Schwingungsmoden des Strings, wobei
man im wesentlichen zwei verschiedene Typen von Strings
betrachtet, nämlich den geschlossenen String und den offenen
String, der einen Anfangspunkt und auch einen Endpunkt
besitzt. Auf diese Art und Weise wird die Vielfalt der
Elementarteilchen auf zwei fundamentale Freiheitsgrade
reduziert, also erstmal eine enorme Vereinfachung im Vergleich
zum Standardmodell der Elementarteilchenphysik. Bei hohen
Energien können natürlich immer mehr und mehr Schwingungsmoden
eines Strings angeregt werden, die sehr schweren, d.h.
massereichen Teilchen entsprechen. Der experimentelle Nachweis
dieser schweren Stringteilchen würde gewissermassen den
„Beweis“ der Stringtheorie darstellen, ist aber experimentell
sehr schwierig oder gar praktisch unmöglich, da sich die so
genannte Stringmassenskala jenseits der Energieskala des
Standardmodells (einige 100 GeV) befinden muss, und u.U. mit
der Planck-Skala von 1019 GeV zu identifizieren
ist. Diese gigantischen Energien sind weit jeinseits der
Möglichkeiten derzeitiger (und wohl auch zukünftiger)
Teilchenbeschleuniger. Deswegen sucht man auch nach indirekten
Spuren von Strings, insbesondere nach der so genannten
Supersymmetrie, die zu jedem bekannten Elementarteilchen ein
supersymmetrisches Partnerteilchen mit gleichen Quantenzahlen
aber unterschiedlichem Spin postuliert. Die Suche nach der
Supersymmetrie wird einen Hauptschwerpunkt der Forschung des
LHC´s (Large Hadron Collider) am CERN darstellen, der seine
Arbeit im Jahre 2008 aufnehmen wird, und an dem das
Max-Planck-Institut für Physik im Rahmen des
ATLAS-Experimentes (A Toroidal LHC Apparatus) maßgeblich
beteiligt ist.
Auch wenn die Stringtheorie das Problem
der Quantisierung der Gravitation prinzipiell löst, so bleiben
noch viele Fragen zu erforschen. Einerseits lässt sich die
Stringtheorie bisher nur unter Verwendung bestimmter
Näherungsverfahren formulieren, andererseits muss noch geklärt
werden, wie die Stringtheorie sowohl mit den eingangs
erwähnten Quantentheorien der Elementarteilchenphysik als auch
mit der Relativitätstheorie zusammenhängt. Die Stringtheorie
beschreibt nämlich die Physik bei sehr hohen Energien, so
hoch, dass heute kaum denkbar ist, sie jemals im Experiment zu
erreichen. Im Grenzfall niedrigerer, im Teilchenbeschleuniger
erzeugbarer Energien jedoch, d.h. wenn die Auflösung so grob
wird, dass die Fäden nur noch punktförmig erscheinen, muss die
Stringtheorie in die heute bekannten Theorien der Quanten- und
Relativitätstheorie übergehen. Dabei erwartet man, dass die
Stringtheorie auf neue physikalische Phänomene in diesem
Energiebereich hinweist und neue Beziehungen zwischen bisher
unabhängigen Parametern herstellt. Aufgrund aktueller
Forschungsergebnisse zeichnet sich ab, dass sowohl bei der
exakten Formulierung der Stringtheorie bei hohen Energien als
auch bei der Beantwortung der Frage nach dem
niederenergetischen Grenzfall die Membranentheorie eine
zentrale Rolle spielen wird.
Mit verschiedenen Aspekten
der Stringtheorie beschäftigt sich auch die Abteilung
Quantenfeldtheorie und Stringtheorie am Max-Planck-Institut
für Physik in München. Insbesondere stehen folgende zwei
Themenschwerpunkte im Mittelpunkt des
Interesses.
1.) Stringkompaktifizierungen und
Membranen-Welten
Eine der wichtigsten Erkenntnisse
in der Stringtheorie ist es, dass ein String neun
Raumrichtungen benötigt, um seine Schwingungen in mathematisch
konsistenter Art und Weise durchzuführen. In der
Superstringtheorie ist die Raum-Zeit also nicht
vierdimensional, wie in der herkömmlichen Quantenfeldtheorie
oder wie auch in der Allgemeinen Relativitätstheorie, sondern
die Stringtheorie muss in eine 10-dimensionale Raum-Zeit mit
neun räumlichen Richtungen eingebettet werden. Mathematisch
gesehen stellt ein höherdimensionaler Raum nichts
Außergewöhnliches dar. Im drei-dimensionalen euklidischen
Raum lässt sich jede Bewegung in Nord-Süd, West-Ost und, in
der vertikalen Richtung, in Aufwärts und Abwärts zerlegen. Das
bedeutet, dass man an jedem Punkt der zwei-dimensionalen Ebene
eine dritte, vertikale Raumrichtung aufspannen kann. Genauso
verhält es sich z.B. mit einem vier-dimensionalen Raum: Über
jedem drei-dimensionalen Raumpunkt gibt es eine vierte
Bewegungsrichtung. Um nun in der Stringtheorie zu erklären,
warum unser beobachtetes Universum nur drei Raumdimensionen
besitzt, bedient man sich einer analogen Beschreibungsweise
des neun-dimensionalen Raumes: Man nimmt an, dass es über
jedem Punkt im vier-dimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum einen
sechsdimensionalen Raum gibt, der in sich gesehen eine
kompakte Mannigfaltigkeit darstellt (Abb. 1).
Abb. 1: Kompaktifizierung: an
jedem Punkt des 3-dimensionalen Raumes, hier als Ebene
dargestellt, ist ein kompakter 6-dimensionaler Raum
aufgehängt, der hier die Form eines Torus annimmt.
Urheber: MPI für Physik,
München
Dieser sechs-dimensionale Raum kann also
als ein verallgemeinerter Kreis oder auch als
verallgemeinerter Torus angesehen werden, da seine Richtungen
periodische Gebilde darstellen. Diesen Vorgang nennt man
Kompaktifizierung von sechs Raumrichtungen. Ein Spezialfall
von sechs-dimensionalen, kompakten Mannigfaltigkeiten, sind
die Calabi-Yau-Räume, die sich in der Stringtheorie als
besonders wichtig herausgestellt haben. Nun stellt sich sofort
die physikalische Frage, warum die zusätzlichen sechs
Dimensionen in der Stringtheorie bislang noch nicht entdeckt
wurden. Hierfür gibt es im wesentlichen zwei mögliche
Antworten:
Erstens, die extra Dimensionen sind kleiner
als ca. 10{-16}cm. Das bedeutet, dass man gemäß der
Heisenbergschen Unschärrferelation Energien benötigt, die
höher als ca. 100 GeV sind, um mit Teilchenbeschleunigern die
extra Dimensionen aufzulösen, d.h. sichtbar zu machen.
Dieser Umstand kann auch etwas anders beschrieben werden:
falls ein Teilchen sich im höherdimensionalen Raum bewegen
kann, besitzt seine Wellenfunktion immer einen
vier-dimensionalen Anteil, welcher mit einer Wellenfunktion in
den extra Raumrichtungen multipliziert wird. Bei periodischen
Randbedingungen in den extra Raumrichtungen besitzt der
entsprechende Energieoperator ein diskretes Spektrum, eine
Tatsache, die impliziert, dass jedes bekannte
Elementarteilchen, z.B. ein Quark, ein Elektron oder auch ein
Photon, von unendlich vielen, angeregten Teilchen begleitet
wird, die sich von den bekannten Teilchen nur durch ihre
höhere Massen unterscheiden, ansonsten aber identische
Eigenschaften besitzen, z.B. hinsichtlich ihrer elektrischen
Ladung. Diese Teilchen nennt man nach Theodor Kaluza und Oskar
Klein Kaluza-Klein-Teilchen (KK-Teilchen), wobei die Masse der
KK-Teilchen immer durch ein Vielfaches des inversen Radius der
extra Dimensionen gegeben ist, also durch ein Vielfaches von
mindestens 100 GeV/c2. Ein möglicher Nachweis der
KK-Teilchen in zukünftigen Beschleunigerexperimenten (LHC in
Genf oder Linear Collider) gäbe einen direkten Hinweis auf das
Vorhandensein von extra Dimensionen, und somit auch die
Existenz vom Strings.
Es gibt aber noch eine zweite
logische Möglichkeit, warum sich extra Raumdimensionen uns
bislang entzogen haben. Diese hängt mit dem schon erwähnten
Vorhandensein von höherdimensionalen Objekten in der
Stringtheorie zusammen, nämlich den p-Branen. In
Stringmodellen mit offenen Strings und p-Branen können sich
die Teilchen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik,
wie Elektronen, Myonen, Neutrinos, Quarks, Photonen, Gluonen,
W- und Z-Bosonen, nur auf einer räumlich gesehen
p-dimensionalen, im einfachsten Fall drei-dimensionalen
Membrane bewegen, die in den durch die Stringtheorie
vorgegeben neun-dimensionalen Raum eingebettet ist. Diese
Membrane stellt also gleichermaßen unser beobachtetes
Universum dar, in dem sich die Prozesse der
Elementarteilchenphysik abspielen. Als Analogie zu diesem
Szenario kann man das Höhlengleichnis von Plato heranziehen.
Hier sind einige Gefangene in einer Höhle fest auf eine
Steinbank gekettet, sodass sich die Gefangenen nur entlang der
Bank (d.h. in x-Richtung) und auch vertikal (also in
z-Richtung) bewegen können, aber nicht in transversaler
Richtung (y-Richtung) senkrecht zur Bank (Abb. 2).
Abb. 2: Höhlengleichnis von
Plato.
Urheber: MPI für Physik,
München
Die Höhle wird durch eine Kerze
ausgeleuchtet, die die Bewegung der Gefangenen bzw. auch der
Gegenstände hinter ihnen auf einen Schirm vor ihnen
projeziert. Es ist klar, dass die Gefangenen sich der Illusion
hingeben, sie lebten nur in einem zwei-dimensionalen Raum, da
ihnen die dritte Raumrichtung verschlossen bleibt. Ganz
ähnlich verhält es in der Membranen-Welt der Stringtheorie.
Die Teilchen des Standardmodells sind die niedrigsten
Anregungsmoden eines offenen Strings, dessen Enden aus Gründen
der mathematischen Konsistenz der Theorie im einfachsten Fall
auf einem drei-dimensionalen, oder allgemeiner auf einem
p-dimensionalen Raum festgeklebt sind (Abb. 3). (In der
Stringtheorie bezeichnet man dies auch manchmal
alsholographisches Prinzip - siehe auch nächstes
Kapitel.)
Abb. 3: p-Brane mit einem
offenen String.
Urheber: MPI für Physik,
München
Eine Bewegung transversal zur p-Brane ist
für die Teilchen des Standardmodells unmöglich. Deswegen
können die extra Dimensionen in den transversalen Richtungen
auch viel größer als nur 10-16 cm sein, die
experimentellen Schranken betragen hier nur einige Mikrometer
(siehe unten). Trotzdem verlieren die extra Dimensionen nicht
gänzlich Einfluss auf die drei-dimensionale Welt, da die
Kraftteilchen der Gravitation, nämlich die Gravitonen, als die
niedrigste Anregungsmode des geschlossenen Strings erscheinen.
Im Gegensatz zum offenen String kann der geschlossene String
aber in alle neun Raumrichtungen propagieren. Experimentell
bedeutet dies, dass sich u.U. bei sehr kurzen Abständen im
Bereich von Distanzen, die kürrzer als ca. 10-5
Meter sind, Abweichungen vom Newtonpotenzial der
Gravitationstheorie ergeben könnten, die von dem Eintreten der
Gravitonen in die extra Dimensionen herrühren.
In der
Abteilung Stringtheorie am Max-Planck-Institut für Physik
werden nun verschiedene Aspekte von Brane-Welten untersucht.
Im Vordergrund der Diskussion steht dabei die Frage, ob man
auf diese Art und Weise aus der Stringtheorie das
supersymmetrische Standardmodell der Elementarteilchenphysik
(kurz als MSSM bezeichnet) herleiten kann. Dabei hat sich
herausgestellt [1], dass Brane-Welten, in denen die p-Branen
einerseits vollständig das gesamte drei-dimensionale Universum
ausfüllen, aber sich andererseits in einen Teil des
zusätzlichen, kompakten 6-dimensionalen Raumes erstrecken und
sich dort auch schneiden können, besonders gut geeignet sind,
um das MSSM zu reproduzieren. Man nennt diese Stringmodelle
deswegen auch „intersecting branes“ (Abb. 4).
Abb. 4: Standardmodell und
versteckte (hidden) p-Branen, die sich im internen Raum
schneiden.
Urheber: MPI für Physik,
München
Die Quarks und Leptonen des MSSM
entsprechen dabei offenen Strings, die an den Schnittpunkten
der p-Branen im inneren Raum lokalisiert sind. Neben diesen
brane-Welt-Modellen werden am Max-Planck-Institut aber auch
andere, oft duale Stringkompaktifizierungen mit so
genannten magnetischen Flüssen studiert [2].
Ein
interessanter Aspekt der intersecting brane-Welt-Modelle ist,
dass man in ihnen auch das Phänomen der Supersymmetriebrechung
konkret berechnen kann [3], welches für die Massen der
supersymmetrischen Partnerteilchen verantwortlich ist. Dies
ist sicherlich auch für die zukünftigen Experimente am LHC in
Genf von Wichtigkeit. Die Supersymmetriebrechung geschieht
dadurch, dass die Supersymmetrie durch bestimmte „magnetische“
Flussfeldstärken, die im internen Raum liegen, gebrochen wird.
Diese so genannten Hintergrundsflüsse haben ferner die weitere
wichtige Eigenschaft, dass durch sie viele der ansonsten
unbestimmten geometrischen Parameter (sog. Modulifelder) auf
einen festen Wert eingefroren werden [4]. Auf diese Art und
Weise erhält der innere Kompaktifizierungsraum ein starres,
festes Aussehen, welches man nicht mehr durch die Deformation
der geometrischen Modulifelder verändern kann. Das
„Einfrieren“ der Modulifelder zieht zahlreiche
phänomenologisch erwünschte Vorteile nach sich, wie etwa die
Abwesenheit von zusätzlichen Kräften (sog. 5th. force) in der
Natur, die durch masselose Modulifelder verursacht werden,
oder auch die prinzipielle Berechenbarkeit von zahlreichen
Kopplungen im Standardmodell, wie auch die Massen der
supersymmetrischen Partnerteilchen [5]. Ferner hat der
Mechanismus der Modulistabilisierung auch einschneidende
Konsequenzen in der Kosmologie, wie etwa eine mögliche
stringtheoretische Erklärung der dunklen Energie des
Universums, welche Einstein als kosmologische Konstante in
seine Gravitationsformel eingeführt hatte. Schließlich, wie
schon seit langer Zeit bekannt ist, ist die Anzahl der
möglichen Stringkompatifizierungen riesig groß, von der
Größenordnung 10500-1000 oder mehr. Deswegen
spricht man in diesem Zusammenhang auch von der sog.
Stringlandschaft, und man versucht statistische Aussagen über
die Verteilung der physikalischen Parameter in der
Stringlandschaft zu erlangen [6].
Diese und viele
andere physikalische und phänomenlogische Aspekte waren der
Gegenstand der internationalen Konferenz „String Phenomenology
2005“, die gemeinsam vom Max-Planck-Institut für Physik und
vom Arnold-Sommerfeld-Zentrum für theoretische Physik vom
13.-18. Juni 2005 an der LMU-München durchgeführt wurde sowie
des workshops „The string vacuum workshop“, 22.-24.Nov.2004 am
MPI für Physik. Es muss dabei herausgehoben werden, dass es
in der Stringtheorie noch eine große Anzahl von ungelösten
Problemen gibt, die sowohl prinzipieller Natur sind,
insbesondere was die Struktur von Raum und Zeit bei sehr
kurzen Abständen in der Nähe der Planck'schen Skala angeht,
als auch was die Herleitung des MSSM aus der Stringtheorie
betrifft. Insbesondere gibt es bis heute noch kein
Stringmodell, das alle Eigenschaften des MSSM vollkommen
richtig beschreibt und erklärt.
2.) Äquivalenz von
Quanten- und Relativitätstheorie - die
AdS/CFT- Korrespondenz
Konforme Feldtheorien
(CFT) sind von wichtiger Bedeutung in der theoretischen
Physik. Punktförmige Teilchen und ihre Wechselwirkungen werden
allgemein durch Felder beschrieben. Konforme
Feldtheorien sind spezielle Feldtheorien, die einen besonders
hohen Symmetriegrad aufweisen, da sie unter konformen
Koordinatentransformationen invariant sind. Sie lassen sich
insbesondere im Zusammenhang mit den Fragestellungen der
Vereinheitlichung der Wechselwirkungen und der Auswirkungen
der Stringtheorie auf die Elementarteilchenphysik als
Anschauungsbeispiele verwenden.
Bei einer konformen
Koordinatentransformation kann sich nicht nur wie bei der
Rotation die Lage eines Gebiets im Raum verändern, sondern
auch seine Größe und Form, allerdings in einer ganz bestimmten
Weise: An jedem einzelnen Punkt ist die
Symmetrietransformation winkeltreu. Ein Beispiel für eine
konforme Transformation ist in Abbildung 5 zu sehen.
Dort werden die Punkte innerhalb des Dreiecks links mit einer
konformen Transformation auf die Fläche rechts abgebildet.
Insbesondere wird der rechte Schenkel des Dreiecks, blau
eingezeichnet, auf den oberen Rand der Fläche rechts,
ebenfalls blau eingezeichnet, abgebildet. Ebenso wird der rote
linke Schenkel des Dreiecks auf den unteren roten Rand der
Fläche rechts abgebildet. Die übrigen roten und blauen
Strecken im Inneren des Dreiecks links werden jeweils
paarweise auf die roten und blauen Kurven im Inneren der
Fläche rechts abgebildet. Gut zu erkennen ist, dass die
geraden Strecken links durch die Abbildung zu Parabeln werden.
Abb. 5: Konforme
Koordinatentransformation.
Urheber: MPI für Physik,
München
Zwar beschreiben konforme Feldtheorien die
Modelle der Elementarteilchenphysik nur in bestimmten
Grenzfällen. Aufgrund ihrer lösbaren mathematischen Struktur
lassen sich jedoch für diese Theorien Fragen klären, deren
Beantwortung für realistische Modelle zunächst zu schwierig
wäre. Die Strategie ist, die für konforme Feldtheorien
gefundenen Ergebnisse anschließend auf die realistischen
Modelle zu verallgemeinern.
1997 wurde von Juan
Maldacena eine wichtige Äquivalenz zwischen einer konformen
Quantenfeldtheorie und einer Gravitationstheorie, d.h. einem
bestimmten Modell der Relativitätstheorie entdeckt. Diese als
dS/CFT-Korrespondenz bezeichnete Äquivalenz erhielt er aus der
Untersuchung des niederenergetischen Grenzfalls eines Modells
der Membranentheorie. „AdS“ steht für den - nach dem
niederländischen Physiker Willem de Sitter benannten -
Anti-de-Sitter-Raum, also für die Gravitationstheorie. „CFT“
ist die Abkürzung für konforme Feldtheorie. Bemerkenswert ist
an der AdS/CFT-Korrespondenz, dass erstmals ein Zusammenhang
zwischen der Quantentheorie einerseits und der klassischen
Relativitätstheorie andererseits hergestellt wird. In der
AdS/CFT-Korrespondenz hat man damit zwei unterschiedliche
Theorien, die dasselbe physikalische Phänomen beschreiben.
Dies ermöglicht die Berechnung identischer physikalischer
Observablen auf zwei unterschiedliche Weisen. Deswegen erhofft
man sich, dass man unter Ausnutzung der AdS/CFT-Dualität
nicht-störungstheoretische Phänome in Eichtheorien, wie z.B.
das Confinement in der QCD als Theorie der starken
Wechselwirkung, berechnen kann, indem man entsprechende Größen
in der dualen, aber klassischen gravitationstheorie
betrachtet.
Ein wesentliches Merkmal der
AdS/CFT-Korrespondenz ist, dass ein Modell der Quantentheorie
in vier Raum-Zeit-Dimensionen und ein Modell der klassischen
Relativitätstheorie in fünf Dimensionen, also in einer
Dimension mehr, zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dies
wird auch als holographisches Prinzip bezeichnet. In
Abbildung 6 ist die AdS/CFT-Korrespondenz dargestellt.
Man sieht eine zweidimensionale kreisförmige Fläche, die
unsere vierdimensionale, flache (nicht gekrümmte) Raumzeit
symbolisiert. Diese wird als Minkowski-Raum bezeichnet. In
diesem Raum laufen physikalischeProzesse nach den Gesetzen der
Quantenphysik ab. Gleichzeitig ist diese Fläche der Rand eines
gekrümmten Raums von hyperbolischer Form, der als Anti-de
Sitter-Raum bezeichnet wird. In diesem Raum unterliegen
physikalische Prozesse den Gesetzen der klassischen
Relativitätstheorie. Der Raum der Relativitätstheorie hat eine
Dimension mehr als der Raum der Quantentheorie. Diese
zusätzliche Dimension wird als holographische Dimension
bezeichnet, da die AdS/CFT-Korrespondenz einem Hologramm
ähnelt, bei dem eine zweidimensionale Abbildung ein
dreidimensionales Bild erzeugt. Ebenso sind bei der
AdS/CFT-Korrespondenz der Informationsgehalt der
vierdimensionalen und der fünfdimensionalen Theorie gleich. In
Abbildung 6 ist als physikalischer Prozess die Bewegung eines
Teilchens von A nach B gezeigt, wobei die Punkte A und B im
Minkowski-Raum und damit gleichzeitig auf dem Rand des Anti-de
Sitter-Raums liegen. Die AdS/CFT-Korrespondenz besagt, dass
die Bewegung innerhalb des Minkowski-Raums, die nach den
Gesetzen der Quantentheorie erfolgt und mit der blauen
Schlangenlinie dargestellt ist, äquivalent ist zur klassischen
Bewegung entlang der roten Kurve durch den Anti-de
Sitter-Raum, die nach den Gesetzen der Relativitätstheorie
erfolgt. In einigen Spezialfällen ist es sogar so, dass die
beiden unterschiedlichen Beschreibungen der physikalischen
Prozesse und Observablen auch numerisch exakt denselben Wert
liefern.
Abb. 6:
AdS/CFT-Korrespondenz.
Urheber: MPI für Physik,
München
Die Forschungsprojekte am
Max-Planck-Institut zielen darauf, die AdS/CFT-Korrespondenz
in verschiedener Hinsicht zu erweitern und zu verallgemeinern.
Es wird daran geforscht, die Korrespondenz so zu erweitern,
dass sie nicht nur für quantentheoretische Modelle mit
konformer Symmetrie, sondern auch für die drei
Wechselwirkungen der Elementarteilchenphysik gilt. Dazu muss
insbesondere der Symmetriegehalt reduziert werden. Auf der
quantentheoretischen Seite der Korrespondenz weicht man daher
von den konformen Feldtheorien ab und wendet sich
allgemeineren Quantenfeldtheorien (QFT) zu, die denen der
Elementarteilchenphysik verwandt sind. Dem entspricht auf der
Relativitätstheorie-Seite der Korrespondenz, dass der
hyperbolische Anti-de Sitter-Raum in Abbildung 3 deformiert
werden muss. Es wird folglich an einer „deformed
AdS/QFT“-Korrespondenz gearbeitet.
Als weiteren
Schritt in Hinblick auf die Elementarteilchenphysik haben wir
kürzlich Ergebnisse veröffentlicht, mit denen sich mit der
AdS/CFT-Korrespondenz in der Quantentheorie Quarks beschreiben
lassen, die Bausteine der Protonen, Neutronen und Mesonen.
Dazu werden p-Branen in den Anti-de Sitter-Raum gelegt. Damit
ist es uns gelungen, eine Gravitationsbeschreibung von
Niederenergiephänomenen in der Theorie der starken
Wechselwirkung zu liefern. Ein Beispiel dafür sind die chirale
Symmetriebrechung und die leichten Massen einiger Mesonen [7].
Weiterhin konnten wir mit ähnlichen Verallgemeinerungen der
AdS/CFT-Korrespondenz einen neuen Phasenübergang in
Quantenfeldtheorien bei endlicher Temperatur vorhersagen [8].
Ein weiterer Aspekt ist die Einordnung der verallgemeinerten
AdS/CFT-Korrespondenz in die Stringtheorie - bisher ist diese
Korrespondenz nur für den niederenergetische Grenzfall der
Stringtheorie formuliert. In diesem Zusammenhang konnten wir
einige offene Fragen klären [9].
Eine Beantwortung
dieser faszinierenden Fragen der Grundlagenforschung wird viel
zu einem besseren Verständnis der Materie und ihrer
Wechselwirkungen beitragen. Es soll jedoch auch erwähnt
werden, dass die dabei entwickelten Methoden, insbesondere die
Verwendung der konformen Symmetrie, auch in anderen Bereichen
der Physik Anwendung finden können, zum Beispiel in der
Festkörperphysik bei der Beschreibung magnetischer Systeme.
Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die
Grundlagenforschung einen wichtigen Motor der Forschung
insgesamt darstellt.
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